Zurück zum Blog Es hat gepfungt! 27.09.2016 - Bericht von Dani

Im August war es wieder mal so weit – eine stolze Anzahl aktiver Bierpedia-Nutzer und -Nutzerinnen (wir wollen ja nicht nur jedem Bier gerecht werden) startete putzmunter und vergnügt in eine neue vielversprechend bierige Erlebenistour! Dieses Mal folgten wir sogar einer persönlichen Einladung in hessische Gefilde. Die Neugier und der Durst (angefacht von einem großzügiger Weise bereits zuvor erhaltenen Probierpaket mit allen flüssigen Produkten – danke nochmal dafür!!) führten uns am Geburtstag eines unserer Gründungsmitglieder (wie passend!) zur größten Privatbrauerei Hessens – zu Pfungstädter!

In Empfang nahm uns an diesem sonnigen Sommertag ein altehrwürdiger Braumeister, der 23 Jahre seines Lebens dem flüssigen Gold gewidmet hat und sich nun auf Brauerei-Führungen spezialisiert hat. Wir erfuhren zu allererst, dass die Brauerei schon im Jahre 1831 in Pfungstadt-Hahn von Justus Hildebrand als Hausbrauerei und Schnapsbrennerei mit dazugehöriger Gastronomie gegründet wurde. Nach 10 Jahren stellte sich aufgrund eines Vergrößerungswunsches und der dazugehörigen Planung von tiefen Gärkellern heraus, dass der Grundwasserspiegel am aktuellen Standort zu hoch war. So zog die Privatbrauerei schließlich direkt nach Pfungstadt und blieb dort. Nachdem der Ausstoß von anfänglichen (niedlichen) 200 hl im Jahr 1885 auf 50 000 hl angestiegen war, wurde auch der Export ausgebaut. Die Pfungstädter Bierspezialitäten konnte man nicht nur in Wien oder Paris finden, sondern auch in Australien, den USA und Chile!

Die noch immer privat geführte Brauerei, die heute durch einen Sachverständigenausschuss der Familien betrieben wird, produziert mittlerweile einen Jahresausstoß von rund 330 000 hl Bier bei insgesamt 18 Sorten (unter anderem ein Craftbeer – modern, modern!). 130 Menschen kümmern sich dabei tagtäglich um die Herstellung, Qualitätsprüfung (3 Mann, jeden Tag, 11 Uhr: aktuelles Bier testen!), Abfüllung und was eben sonst noch so zu tun ist. Die Grundzutaten des Pfungstädter kommen zu 100% aus Deutschland, zum Großteil sogar aus der Region. Verwendet wird zum Beispiel nur Gerste von 50 Landwirten aus Hessen (ideal zum Brauen: zweizeilige Sommergerste wegen ihrer feinen Schmelze und dem geringen Eiweißgehalt, #klugscheißernzwischendrin), der Hopfen kommt aus Sachsen und der Hallertau. Die Brauerei besitzt außerdem einen Tiefbrunnen, der 50 qm Wasser stündlich fördert, sowie ein eigenes Misch- und Ausgleichsbecken zur Abwasservorbereitung. Denn einer der höchsten Kostenfaktoren bei der Produktion von Bier ist das Abwasser. Um also den Starkverschmutzungszuschlag (was es nicht alles gibt!) zu vermeiden, den sie sonst zahlen müsste, bereitet die Pfungstädter Privatbrauerei das Abwasser selbst schon (teilweise) auf. Aber das sind natürlich nicht die einzigen (versteckten) Kosten bei der Bierbrauerei. Es gibt nämlich auch – wie sollte es anders sein? – eine Biersteuer. Diese richtet sich nach dem Stammwürzegehalt und somit auch nach dem Alkoholgehalt im Bier – je mehr Würze, desto mehr Alkohol, desto höheren Steuern! Als Faustregel gab uns unser Begleiter mit: ca. 1/3 der Stammwürze werden im Gährungsprozess in Alkohol vergoren!

Und dann stellte er uns eine Frage, die selbst unsere versiertesten Bierkenner nicht zu beantworten wussten: Wo liegt der Unterschied zwischen Weißbier und Weizenbier?

. . .

Na, keine Ahnung?!

So ging es uns auch! Der Unterschied läge- so unser Braumeisters – in der Vergärung. Das Weizenbier wird in großen Tanks noch in der Brauerei vergoren. Das Weißbier allerdings kommt aus dem Keller direkt in die Flasche und gärt dort nach, weswegen sich dann mehr Hefe in der Flache findet. [Anmerkung der Redaktion: Dafür konnte keine weiteren Belege gefunden werden. Aber so ein Braumeister wirds schon wissen!]

Außerdem lernte wir noch, dass die überschüssige Hefe nach getaner Gär-Arbeit ein ideales, nährstoffreiches Futter für Schweine darstellt. Und auch der Treber (Abfallprodukt des Malzes) hat nach der Bierproduktion noch nicht ausgedient. Daran erfreuen sich noch Kühe und mit ihnen ihre Bauern. Denn die Zufütterung von Treber führt maßgeblich zu einer Steigerung der Milchproduktion. Und das alles nur, weil so gerne Bier getrunken wird! Ein Hoch auf uns!

Die letzte Station unserer Führung war die hauseigene Abfüllanlage, in der in einer Stunde 60 000 Flachen abgefertigt werden können. Auch hier wurde uns viel Wissen vermittelt. Fässer zum Beispiel werden noch heiß – also direkt nach der speziellen (und natürlich sehr gründlichen) Reinigung – befüllt. Dies geschieht immer, also auch bei Flachen, etc., bei 2 Bar Gegendruck, um das Aufschäumen des Bieres zu verhindern. Jede Flasche wird vor der erneuten Befüllung 23 Mal ausgespült und dann 3 Mal ausgeleuchtet, um etwaige Beschädigungen oder innen verbliebene Reinigungsflüssigkeiten zu entdecken. Kronkorken, die bierduselige Partygäste so gerne verbiegen und in leeren Bierflaschen versenken, sind hier ein oft (und fürchterlich ungern) gesehene Problem. Sie verhindern, dass die Lauge, mit der die Flaschen innen gereinigt werden, auslaufen kann – und halten so den ganzen Betrieb auf. Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem in dieser Station der Brauerei sind Kippenreste, die mangels eines geeigneteren Aschenbechers gerne schon mal in einer Flasche landen. Unser Braumeisterführer berichtete aus eigener Erfahrung von 30 kg (!!!!!!) Zigarettenresten, die nach 24 Stunden intensiven Flaschenreinigens zusammenkommen können und dann durch die Brauerei entsorgt werden müssen (aha, noch mehr versteckte Kosten)!

An dieser Stelle also eine ernstgemeinte, im Sinne aller (Bier-) Flaschenreinigungsmaschinen und ihrer Betreiber ausgesprochene Bitte: KEINE FLASCHEN MEHR ALS ASCHENBECHER MISSBRAUCHEN! Hört lieber auf zu Rauchen…

Insgesamt war diese Führung also extrem informativ (wirklich sehr, sehr, sehr informativ!), aber wirklich gesehen haben wir leider nicht allzu viel von der Brauerei. Das mochte vor allem daran liegen, dass wir unter der Woche dort waren und es bei laufender Produktion Besuchern nicht gestattet ist, bestimmte (interessante) Bereiche zu betreten (aus hygienischen Gründen). Trotz der wenigen Bewegung verging die Zeit wie im Flug und letztendlich blieb uns zur Verkostung „nur“ noch eine Stunde – die wir aber bestmöglich nutzten! Und siehe da – eine Pfungstädter Spezialität schaffte es sogar in unsere Top 10: das Urstoff! Als Abschiedsgeschenk durfte sich dann jeder von uns noch eine hübsches, handliche, mit zwei Pfungstädter Bieren gefüllte „Übierraschung“ mitnehmen. Das nenne ich mal einen gelungenen Tag!

Last but überhaupt nicht least an dieser Stelle noch einmal ein wirklich großes Dankeschön an die Pfungstädter Privatbrauerei, die uns unkompliziert und großzügig Testbiere zur Verfügung stellte und uns außerdem noch persönlich zu einer Besichtigung einlud – es hat uns viel Freude bereitet!

(…und andere Brauereien dürfen sich sehr gerne ein Beispiel nehmen daran…)…