An einem wunderschönen Frühlingstag in Miltenberg, einer Kleinstadt am Main im Odenwald, gelüstete uns von Bierpedia nach neuen Kenntnissen über und aktiver Erfahrung der lokalen Bierkultur. Also ergriffen wir die Chance, an einer Brauereibesichtigung im dort ansässigen Brauhaus Faust zu Miltenberg teilzunehmen. Der Slogan „Faust. Das bleibt unter uns.“ und die diversen frechen Sprüche auf überall zu findenden Bierdeckeln (z.B. „International völlig unbedeutend. National eher zweitrangig. Lokal der Hammer.“) hatten uns neugierig auf diese kleine Brauerei gemacht.
Was wir allerdings als erstes erfahren mussten war die etwas enttäuschende Tatsache, dass unser werter Herr Besichtigungsleiter leider null komma gar nicht zapfen konnte. Positiv daran war, dass es direkt – also praktisch vor jeder weiteren Information – schon das erste Bier gab (Faust Kräusen)! Dabei konnten wir dann einen einleitenden Film, gespickt mit vermutlich jeder Werbung, die Faust zu bieten hat („Ein Trend jagt den nächsten. Soll er doch.“), verfolgen. Wir erfuhren zum Beispiel, dass die Brauerei schon immer in Miltenberg ihr Zuhause und nie die Lokalitäten gewechselt, nur vergrößert hat. Auch wurde uns (mehr als einmal) vermittelt, dass das Faust Bier nur regional erhältlich und ziemlich stolz darauf ist („Mancherorts wird viel getrunken. In der Heimat nur eins.“). Dazu kam dann gleich das zweite Bier (Faust Schwarzviertler) an den Tisch – wieder wenig liebevoll gezapft, aber wenigstens wurde man nicht auf dem Trockenen sitzen gelassen. Bis jetzt…
Aber erstmal zum Wissenswerten:
Das Brauhaus Faust braut 14 verschiedene „Bier- Spezialitäten“ sowie 5 „Bier- Raritäten“, was durchaus erstaunlich ist in Betracht der Tatsache, um was für eine kleine Brauerei es sich eigentlich handelt. Zur Zeit werden ca. 60 000 Hektoliter Bier pro Jahr dort hergestellt. Um diese Masse stemmen zu können, mussten die Besitzer vor einigen Jahren einige Reifetanks im Außenbereich der Brauerei hinzufügen (bemerkenswert, denn die Lage der Brauerei kann allemal als beengt beschrieben werden). Außerdem bedienen sich die Faust’schen Braumeister der offenen Gärführung, welche nur noch sehr selten zum Einsatz kommt. Dabei wird das Bier in speziellen offenen Tanks 7 Tage unter Zugabe von Reinzuchthefe (untergärig) gegährt. Die Hefe sinkt dann im Verlauf des Gärprozesses ab. Bei diesem Vorgang wird Kohlendioxid freigesetzt. Bitterstoffe und ähnliches heben sich an die Oberfläche des Bieres und können mit speziellen Kellen abgeseit werden. Dies geschieht mehrmals während des ganzen Gärvorgangs. Eine weitere Besonderheit im Brauhaus Faust umfasst einen dort entwickelten Prototypen, der das Ausdampfen des heißen Biersuds ermöglicht. Früher wurde der Sud ins Kühlschiff geleitet, um dort ausdampfen zu können. Heutzutage ist das bei den üblichen geschlossenen Brauvorgängen nicht mehr möglich. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Schritt hin zum fertigen, gut bekömmlichen Bier. Denn der enthaltene Schwefel sollte dem Sud durch das Ausdampfen entzogen werden, sonst kann er später für den allseits bekannten „Schädel“ nach (zu viel) Biergenuss sorgen. Die Brauerei Faust stellte deswegen einen Behälter her, in dem der Sud mit steriler Luft ausgedampft wird. Das bedeutet, dem Biersud wird die Wärme entzogen, er wird abgekühlt, und die entzogene Wärme kommt beim Aufkochen der Maische wieder zum Einsatz. So entsteht ein energetischer Kreislauf, auf dessen Funktionalität und Effizienz die Brauerei sehr stolz ist.
Zum Ende der Führung ging es unter die Erde in das Herzstück der Brauerei, die sogenannte „Schatzkapelle“. Es handelt sich hierbei um einen unter der Brauerei gelegenen, verwinkelten, kühlen Felsenkeller, in dem früher das fertige Bier gelagert wurde. Hier herrscht ein schon fast mittelalterliches Ambiente – flackernden Fackeln beleuchten notdürftig feuchte, mit Moos bewachsene Wände und von Zeit zu Zeit tropft eiskaltes Wasser von der Decke. Hier verweilten wir (zum Kummer aller leicht bekleideten Damen) so lange, bis uns unser Besichtigungsleiter diverse Anekdoten aus der Geschichte der Brauerei und ihrer Spezialbiersorten mitgeteilt hatte. Ihren Namen, so erfuhren wir dort, trägt diese unterirdische Kammer nur zu Recht: Hier fand ein Vorfahre der heutigen Familie Faust 1843 – als es wirklich darauf ankam – beim Erweitern des Kühlkellers einen Silberschatz aus dem 30- jährigen Krieg! Damit war die weitere Existenz des Brauhauses finanziell gesichert! Heute werden hier die 5 besonderen Bier- Raritäten wie der Jahrgangsbock, das Johann Adalbert Hochzeitsbier oder die Braureserve gelagert – die „Schätze“ der Gegenwart. Damit gewann die Brauerei schon diverse Preise, zum Beispiel beim Craft Beer Cup, da es sich hierbei um handgebraute Biere handelt.
Insgesamt wurde zwar unser Wissensdurst gestillt – der tatsächliche leider nicht ganz. Unser drittes und letztes, vorher groß versprochenes Bier im Weizenkeller wurde aus Zeitgründen nicht mehr ausgeschenkt. Dafür mussten wir noch Fotomodell spielen, um uns später auf der Website unser personalisiertes Faust- Bierdiplom herunterladen zu können. Den meisten wäre wohl das Bier lieber gewesen (aber „das bleibt unter uns.“)…Wenn auch bei der Führung etwas Hektik und Schnell- Schnell- Schnell- Mentalität herrschte, hat es sich gelohnt! Es handelt sich nämlich bei dem Brauhaus Faust um ein sehenswertes Stück alter, deutscher Bierkultur und auch die Biere an sich sind eines ausführlichen Testes würdig (welchem wir natürlich vor und nach der Besichtigung in bester Bierpedia- Manier noch ausreichend Zeit gewidmet haben). Also dann… bis zum nächsten Bier!